Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus hat mit dem Konzept "Kooperation, Koordination, Kommunikation" eine Reform der Lehrerbildung für die Lehrämter an beruflichen Schulen angestoßen. Im Folgenden soll das Konzept der Lehrerausbildung in Teilen kurz vorgestellt und kritisch hinterfragt werden.

Für Kritik oder Anregungen oder Zusatzinformationen zur Lehrerbildung bin ich sehr dankbar. info@klaus-reiser.de



Das Konzept zur "Reform der Lehrerbildung 2011 - Lehrämter an beruflichen Schulen" wurde mit Datum vom 16. Februar 2011 öffentlich gemacht. Darin heißt es in der Einleitung: "Das bestehende System sowohl der ersten universitären Ausbildungsphase wie auch der zweiten schulischen Phase der Lehrerbildung an beruflichen Schulen soll durch Weiterentwicklung der bestehenden Strukturen und Vorgaben zukunftsfähiger und flexibler werden. Das vorrangige Ziel ist, die Pädagogik als die zentrale Kompetenz der Lehrkräfte deutlich zu stärken. ... Lehrkräfte müssen noch mehr als bisher zu ausgewiesenen Fachleuten für das Lernen werden!"

Diese Einleitung verdeutlicht ansatzweise die Schwerpunkte der Lehrerausbildung - Pädagogik und Psychologie sowie Methodik und Didaktik.
Es wird ersichtlich, dass es zwei grundsätzliche Veränderungen geben soll, nämlich

a) Inhaltliche Veränderungen und

b) Organisatorische Veränderungen.


zu a) Inhaltliche Veränderungen

Die inhaltlichen Veränderungen sind im Konzept zur Lehrerbildung nur vage zu erkennen. So heißt es auf Seite 3 ff "Die Kernpunkte der Reformidee sind... - die vertiefte pädagogisch/psychologische Ausbildung der Referendare und Fachlehreranwärter ... zu verankern." Leider wird auf den folgenden Seiten keinerlei Aussage zu den tatsächlichen Inhalten getätigt, sondern nur organisatorische Vorschläge zur Umsetzung gemacht (siehe unter Organisatorische Veränderungen).

Weitere inhaltliche Reformen sind u. a. "die gezielte Förderung der unterschiedlichen Begabungen sowie die durchgehende Anleitung zur selbständigen Wissensaneignung." ... "Die Ausbildung der Referendare hinsichtlich Diagnose- und Förderkompetenz muss deutlich vertieft werden." ... "Die Referendare müssen im Bereich der Lerntechniken und Lernmethoden vertieft ausgebildet werden..." Hinsichtlich der Problemlösungskompetenz der Lehramtsanwärter schreibt der Autor des Konzepts, dass "Problemlösungsstrategien und Kreativitätstechniken - angereichert mit einer Fülle von praktischen Beispielen - einen weiteren Schwerpunkt der Lehrerbildung bilden (sollen)." ... "Es wäre wünschenswert, wenn neben Persönlichkeitsbildung, Konfliktmanagement u. ä. auch Module aus dem Bereich der Führungskräfte-Vorqualifikation angeboten werden könnten. In Zeiten einer längeren Lebensarbeitszeit kommt der Fort- und Weiterbildung eine insgesamt größere Bedeutung zu. Daher sollte die Lerncharakteristik älterer Menschen zunehmend zum Gegenstand der beruflichen Lehrerbildung werden. Auch die Benachteiligtenpädagogik (Stärke- statt Defizitorientierung) ist ein wichtiges Handwerkszeug für angehende Lehrkräfte."
Man sieht, dass hier eine Fülle neuer inhaltlicher Themen in der Lehrerausbildung bearbeitet werden sollen. Unterstellt man, dass auch die "herkömmlichen" Themen, wie beispielsweise das Erlangen von Methodenkompetenz (z. B. Gestaltung von Arbeitsblättern, Verwendung von Tafel, OHP, Beamer etc.), die Stärkung der Fachkompetenz und die Erweiterung der Sozialkompetenz (Teamarbeit, kollegiale Beratung etc.) weiterhin Platz finden müssen, so stellt sich die Frage, wann diese zusätzlichen  Inhalte unterrichtet werden sollen. Kritisch muss zudem gefragt werden, ob allgemeine Probleme der Ministerialbürokratie wie z. B. die Gewinnung geeigneten Führungspersonals unbedingt durch die Lehrerausbildung gelöst werden können.
Leider finden sich in den gesamten Seiten des Reformkonzepts keine konkreten inhaltlichen Angaben, so dass eine Auseinandersetzung nicht möglich ist.
Um dieses Konzept auch inhaltlich umsetzen zu können, bedarf es m. E. zusätzlicher Zeit sowie organisatorischer Veränderungen, um der Gefahr des Abdriftens in die Oberflächlichkeit zu begegnen. Das Kultusministerium hat hier bereits organisatorische Tatsachen geschaffen, die im Folgenden beschrieben werden.
 

zu b) Organisatorische Veränderungen

Grundsätzlich sollte eine Lehrerausbildung in sich homogen sein. Es gibt für mich keinen Grund, dass die Ausbildung der "studierten" Lehrkräfte sich in Inhalt und Organisation von der Ausbildung der "Praktiker" unterscheidet. Beide Gruppen haben unterschiedliche Qualifikationen, die sie im Vorfeld erworben haben; hier das Hochschulstudium, dort der Meister oder Techniker. Damit ist die "fachliche" Seite abgedeckt und es muss die pädagogische Ausbildung betrachtet werden. Und hier bestehen gravierende Unterschiede. Die Lehrkräfte des höheren Dienstes absolvieren ein zweijähriges Referendariat, während die Fachlehrer eine einjährige Ausbildung durchlaufen. Im Anschluss dieser einjährigen Ausbildung wird ein sog. "begleitetes Dienstjahr" angehängt. Das bedeutet, dass die fertigen Fachlehrer zehn eintägige Seminarveranstaltungen besuchen müssen, in denen sie von Regionalmentoren in bestimmter Weise unterstützt werden.  Nach Aussagen der ersten Jahrgänge ist die Qualität dieser Veranstaltungen sehr differenziert zu betrachten, die Seminare werden zum Teil als zusätzliche Belastung gesehen.
Aus meiner Sicht ist es zwingend, die Ausbildung der Referendare und der Fachlehrer zweijährig auszurichten. Insbesondere deswegen, weil im späteren Einsatz an der Schule der Fachlehrer und der höhere Dienst zusammenarbeiten sollen/dürfen/müssen und es aus pädagogischer Sicht keinerlei Unterschiede bei der Erziehung der Schüler gibt, folglich auch keine Notwendigkeit der pädagogisch unterschiedlichen Ausbildung der Lehrer besteht.
Zu organisieren wäre die Ausbildung dann m. E. wie die Ausbildung der Fachlehrer am Staatsinstitut. Im ersten Jahr hätten die Lehramtsanwärter an drei Tagen Unterricht in Pädagogik, Psychologie, Didaktik und Schulrecht, im zweiten Jahr ein begleitetes Dienstjahr, in dem Schwerpunkte gesetzt und Probleme besprochen werden können.

Wie ist aber nach dem Konzept des KM die Organisation verändert worden?

Der erste Schwerpunkt ist die Einführung von "Universitätsschulen mit dem Ziel, die bisher getrennt agierenden Phasen I und II zu einem Gesamtkonzept zu verschmelzen." Studium und Schule werden so vernetzt und sollen so eine "produktive Verbindung" eingehen. Wie das Konzept in der Praxis funktioniert, kann man auf der Internetseite der Friedrich-Alexander-Universität nachlesen (Universitätsschule - Details Nürnberg) oder auf der Internetseite der Otto-Friedrich-Universität Bamberg (Bamberger Universitätsschulen).
Informationen für die Technische Universität München findet man hier (Referenzschulen).
Betrachtet man die drei Modelle, muss zusammenfassend festgestellt werden, dass diese sich qualitativ und inhaltlich unterscheiden. Es fehlt mir hier der Platz, um detaillierter auf die Unterschiede einzugehen. Als Fazit kann ausgeführt werden, dass ein einheitliches Konzept m. E. anders aussieht.


Der zweite Schwerpunkt liegt in der Veränderung der Organisationsstruktur. Auffälligstes Merkmal ist die Auflösung der drei Seminarbezirke und die Schaffung einer hierarchischen Struktur. Nachfolgende Grafik aus dem Konzept verdeutlicht das Organisationsmodell.

 

Laut Konzept soll durch diese Struktur ein "einheitliches Vorgehen und die schnelle Umsetzung von pädagogischen Innovationen sichergestellt" werden. Wichtig ist, dass die Fachlehrerausbildung zumindest organisatorisch mit dem höheren Dienst verbunden ist. Da das Staatsinstitut aber weiterhin in Ansbach sitzt und die Dienststelle Nord in Nürnberg, wird durch die organisatorische Veränderung nur eine geringe Kooperation erzielt. Inwieweit diese durch gemeinsame Veranstaltungen verbessert werden kann, wird die Zukunft zeigen.

Den dritten Schwerpunkt fasse ich zusammen, da er im eigentlichen Sinn nur diverse kleine Änderungen beinhaltet. Hier sind beispielsweise die unterschiedlichen Aufgaben der Seminarlehrer, Seminarvorstände, Schulleiter und Betreuungslehrer aufgeführt. So sollen die Schulleiter zukünftig die Referendare in Schulrecht unterweisen mit dem Ziel, "sich als Teil der Lehrerausbildung zu verstehen". Diese Maßnahme steht m. E. konträr zur eigentlichen Zielsetzung einer einheitlichen inhaltlichen Ausbildung, da jeder Schulleiter seine Referendare unterschiedlich "unterweisen" wird.
Seminarlehrkräfte werden befristet auf fünf Jahre an das Studienseminar abgeordnet. Diese Maßnahmen hat den großen Vorteil, dass Seminarlehrer, die nicht oder nicht hinreichend geeignet sind, ihre Abordnung nach fünf Jahren nicht verlängert bekommen. Einen faden Beigeschmack hat für mich die im Konzept aufgeführte Begründung, denn "Seminarlehrer sollen mit ihrer pädagogischen Kompetenz und ihrer Führungskompetenz für die Schulleitungen oder Abteilungsleitungen gewonnen werden." Ziel sollte es sein, für die Ausbildung des Lehrernachwuchses die besten Kräfte zu finden und zu halten. Versteht man die Aufgabe der Seminarlehrkraft nur als Sprungbrett für höhere Führungsaufgaben, besteht die Gefahr, dass die Qualität leidet, da sich die Seminarlehrer nicht mit der Lehrerausbildung im notwendigen Maße identifizieren.
 

Fazit: Betrachtet man das Konzept der Reform der Lehrerbildung 2011 ist festzustellen, dass an vielen Stellschrauben gedreht wurde. Einige Veränderungen werden für eine Verbesserung, andere eher für eine Verschlechterung der Lehrerausbildung sorgen. Man hat mit einer Verordnung, die rückwirkend zum 1. August 2011 (Gesetzes- und Verordnungsblatt 23/2011) gültig ist, die rechtliche Grundlage für die Veränderungen geschaffen. Meines Erachtens hat man es versäumt, Nägel mit Köpfen zu machen und die Lehrerausbildung für berufliche Schulen wirklich zu reformieren und auf völlig neue Füße zu stellen.

    

 

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